la scala di seta

Mannheim, October 2007

« Ach, wie komisch, von seinem Vormund zwangsverheiratet zu werden! (…) Von wegen! Farsa hin, comica her, bereits Rossini lässt bei aller spielerischen Leichtigkeit diese Eindimensionalität nicht zu, und es ist das große Verdienst von Lukas Hemleb, diesen Ansatz konsequent umgesetzt und ausgebaut zu haben. Charaktere entstehen, oft gegen den Textstrich gebürstet, mit Eigenleben, zumeist schreiend komisch, zugleich subversiv, listig aufbegehrend, sprunghaft, und wäre es als Jack aus der gepackten Umzugsbox, sprunghaft wie die Chancen, die sich urplötzlich eröffnen (und sei es bezüglich der sexuellen Orientierung). Leben auf der Kippe (vorzüglich umgesetzt im mehrdimensionalen Bühnenbild von Roland Aeschlimann, der Wohncontainer, in dem das bürgerliche Leben sein Domizil der Vorläufigkeit findet, fußt wie eine Kippschaukel auf einem großen Rad). Wie bei Kafkas sieben bewachten Türen perpetuiert sich das Hineingehaltensein in eine Welt der Durchbrechungen, Durchkreuzungen und bedrohlichen wie lösungsweisenden, rettenden Offenheiten über die eigenen Wahrnehmbarkeiten und Lebensräume hinaus als Stigma des Weltseins schlechthin. Hinter allem befreienden Lachen, bei allem Vergnügen über Slapstick-Salven, Situationskomik und Schlitzohrigkeit en gros bleibt eine Ahnung von Bedrohlichkeit und Ernst, ontologischen Ungesichertheiten. (…) Das Mannheimer Publikum ist begeistert. Minutenlange Ovationen, niemand bereut die vielleicht längere Anfahrt für eine nur gut anderthalbstündige Opernaufführung, deren Musik klingt, als habe sie Rossini nicht vier Jahre vor dem Barbier, sondern eine ganze Generation vorher geschrieben. Fazit: Ein Fündlein, das aufzuheben (im dreifachen Hegelschen Sinn) sich verlohnte. »
publicopera.info

Gioacchino Rossini
« La scala di seta »
conductor: Alexander Kalajdzic
director: Lukas Hemleb
stage designer: Roland Aeschlimann
costume designer: Andrea Schmidt-Futterer
Nationaltheater Mannheim